Offenlegung von Ertragsteuerinformationen (“public Country-by-Country Reporting”)

Von Lukas Benzinger und Julius Scherr

Veröffentlichung eines Durchführungsrechtsaktes durch die Europäische Kommission

Am 2.8.2024 wurde durch die Europäische Kommission der Entwurf eines Durchführungsrechtsaktes zur länderbezogenen Ertragsteuerinformationsberichterstattung (sog. „public Country-by-Country Reporting“ oder „pCbCR“) veröffentlicht. Dieser konkretisiert das (elektronische) Format der vorgesehenen Berichterstattung und führt einen einheitlichen Meldebogen ein. Insgesamt beinhaltet dieser die Durchführungsverordnung sowie insgesamt vier zugehörige Anhänge (Annex I-IV). Annex I unterteilt sich dabei wiederrum in fünf (Unter-)Sektionen.

Sektion 1 betrifft allgemeine Informationen, wie den Namen der Muttergesellschaft, das Geschäftsjahr oder die Berichtswährung.

Sektion 2 bezieht sich auf den länderbezogenen Ausweis der erforderlichen Pflichtangaben und sieht dabei – wie auch in § 342i HGB bereits geregelt – den länderbezogenen Ausweis der Angaben für jeden Mitgliedstaat der EU bzw. der EWR-Vertragsstaaten sowie die Steuerhoheitsgebiete der sog. schwarzen Liste (Anhang I) und der sog. grauen Liste (Anhang II) vor. Darüber hinaus ist für alle übrigen Steuerhoheitsgebiete ein aggregierter Ausweis vorgesehen.

Sektion 3 bezieht sich auf Angaben zu allen – in den Konzernabschluss einbezogenen – Tochterunternehmen sowie die Ansässigkeiten und Geschäftsaktivitäten.

In Sektion 4 und Sektion 5 sind schließlich Informationen zu den weggelassenen, nachteiligen Angaben (§ 342k HGB im Rahmen der nationalen Umsetzung; siehe hierzu auch weiter unten) vorzunehmen und es können Angaben zu wesentlichen Abweichungen zwischen den „zu zahlenden Ertragsteuern“ und den „Ertragsteuern auf Kassenbasis“ gemacht werden. Annex II und Annex III beziehen sich auf die XBRL-Spezifikationen sowie die Kennzeichnungs- und Offenlegungsvorschriften. In Annex IV werden schließlich sog. Taxonomie Elemente eingeführt.

Der veröffentlichte Rechtsakt stellt einen ersten Schritt in der in § 342l HGB vorgesehenen Einführung eines Formblatts sowie des festzuglegenden maschinenlesbaren elektronischen Formats dar. Es ist dabei eine Kommentierungsfrist von vier Wochen vorgesehen und die Frist für eine Rückmeldung ist der 29.8.2024.

Die Rückmeldungen können hier abgegeben werden:

Besteuerung multinationaler Unternehmen – Meldebogen und elektronische Formate für das „Country-by-Country-Reporting“ (europa.eu)

Hintergrund public Country-by-Country Reporting

Das Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2021/2101 wurde am 21.6.2023 verkündet und sieht in den §§ 342-342p HGB vor, dass bestimmte oberste Mutterunternehmen, unverbundene Unternehmen sowie – bei einem Überschreiten bestimmter Größenkriterien (i.d.R. EUR 750 Mio.) – inländische Tochterunternehmen sowie inländische Zweigniederlassen von Unternehmen mit Sitz in einem Drittstaat, erstmalig für Geschäftsjahre, die nach dem 21.6.2024 beginnen, einen Ertragsteuerinformationsbericht (sog. „public Country-by-Country Reporting“ oder „pCbCR“) zu erstellen haben. Bei kalendergleichem Geschäftsjahr ergibt sich hieraus regelmäßig ab dem Geschäftsjahr 2025 eine entsprechende Berichtspflicht. In dem Ertragsteuerinformationsbericht sind länderbezogene Angaben zur globalen Geschäftstätigkeit und dabei insbesondere zu Umsatzerlösen und Gewinnen sowie zu den zu zahlenden und tatsächlich gezahlten Ertragsteuern offenzulegen. Zudem ist auch über die Anzahl der Arbeitnehmer zu berichten. Das pCbCR ergänzt damit die – bisher ausschließlich gegenüber der Finanzverwaltung – offenzulegenden Daten im Rahmen der länderbezogenen Berichterstattung nach § 138a AO und sieht somit nun auch eine Berichterstattung gegenüber der Öffentlichkeit vor.

Handlungsbedarf & Beratungsempfehlungen

Da – bei kalendergleichem Geschäftsjahr – für das bald beginnende Geschäftsjahr 2025 erstmalig ein Ertragsteuerinformationsbericht zu veröffentlich ist, empfehlen wir eine frühzeitige Auseinandersetzung mit der Thematik, um sowohl die inhaltlichen und fachlichen Anforderungen als auch etwaige prozessuale Anpassungen zeitgemäß zu erfüllen. Dazu haben wir nachfolgen einige aus Beratersicht besonders relevante Punkte aufgeführt:

Absenkung Umsatzschwelle

Auch Unternehmen die bisher die vorgesehen Umsatzschwelle von EUR 750 Mio. nicht überschreiten, sind – vor dem Hintergrund der Diskussion zu einer Absenkung der relevanten Schwellenwerte – gut beraten, sich mit dem Thema des pCbCR zu beschäftigen und die Gesetzesentwicklung eng zu monitoren.

Gesetzesmonitoring

Da bestimmte Länder in der EU (bspw. Rumänien) die EU-Richtlinie bereits frühzeitig umgesetzt haben und dort ansässige, multinationale Unternehmen bereits für Geschäftsjahre die ab dem 1.1.2023 beginnen, einer Veröffentlichungspflicht unterliegen, kann sich hier aus Praxissicht eine z.T. sehr heterogener Beginn des Anwendungszeitraums ergeben. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund von Relevanz, dass auch in Deutschland ansässige Gruppen, die mit einem Tochterunternehmen bzw. einer Zweigniederlassung in den jeweiligen Ländern tätig sind, in den Anwendungsbereich fallen können und damit u.U. bis spätestens 31.12.2024 einen solchen Bericht bereitstellen müssen. Hier ergibt sich unmittelbarer Handlungsbedarf für die betroffenen Unternehmen bereits für das Geschäftsjahr 2024.

Abstimmung mit Abschlussprüfer und Aufsichtsrat

Da gem. § 171 Abs. 1 Satz 3, 4 AktG eine (inhaltliche) Prüfung des Ertragsteuerinformationsberichts durch den Aufsichtsrat vorgesehen ist und dieser über das Ergebnis schriftlich an die Hauptversammlung berichten muss, empfiehlt sich auch hier eine möglichst frühzeitige Abstimmung. Ebenfalls ist zu entscheiden, ob – zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit der Berichterstattung – eine freiwillige inhaltliche Prüfung durch einen Abschlussprüfer in Auftrag gegeben werden soll. Gesetzlich vorgeschrieben ist bisher lediglich eine Prüfung, ob das Unternehmen der Verpflichtung zur Veröffentlichung nachgekommen ist.

Synergien mit der länderbezogenen Berichterstattung nach § 138a AO

Klar hervorzuheben ist, dass die im Rahmen des Ertragsteuerinformationsberichts zu veröffentlichenden Informationen grundsätzlich vergleichbar sind mit den Informationen, die im Rahmen der länderbezogenen Berichterstattung nach § 138a AO erfasst werden. Auch die maßgebliche Umsatzschwelle für die Eröffnung des Anwendungsbereichs ist nahezu identisch. Allerdings sind die Informationen keineswegs deckungsgleich und es ist u.a. auf die in § 138a AO geforderten Zusatzangaben wie bspw. zu materiellen Wirtschaftsgütern hinzuweisen, welche im Rahmen des pCbCR explizit nicht erforderlich sind. Ebenfalls sind nach h.M. keine aus Wesentlichkeitsgründen nicht konsolidierte Einheiten in das pCbCR einzubeziehen, was ebenfalls einen Unterschied zu § 138a AO darstellt. In diesem Zusammenhang ist somit auch frühzeitig zu entscheiden, ob das in § 342h Abs. 4 HGB vorgesehene Wahlrecht, die im Rahmen des pCbCR geforderten Angaben unter Rückgriff auf die Daten des länderbezogenen Berichts nach § 138a AO vorzunehmen, in Anspruch genommen werden soll. Auf dieser Basis sind somit die weiteren Prozesse auszugestalten.

Überarbeitung Berichterstattungsprozess

Die länderbezogenen Berichterstattung nach § 138a AO liegt aktuell – vor dem Hintergrund der Inanspruchnahme der CbCR-Safe-Harbours im Rahmen der globalen Mindestbesteuerung – in einem starken Fokus der betroffenen Unternehmen. Dies gilt deshalb, da gem. § 87 Nr. 1 MinStG ein qualifizierter länderbezogener Bericht erforderlich ist, an welchen bestimmte Anforderungen stellt, welche bisher durch die Unternehmen oftmals (noch) nicht vollumfänglich erfüllt werden. Es bietet sich daher an, bereits jetzt im Rahmen von prozessualen Anpassungen auch unmittelbar die für das pCbCR erforderlichen Zusatzprozesse zu implementieren, um so einen zusätzlichen Aufwand zu vermeiden.

Freiwillige Zusatzangaben

Da bei dem pCbCR u.a. keine latenten Steuern einbezogen werden, kann es hier leicht zu Verzerrungen der Ertragssteuerquoten und einer nicht unerheblichen Gefahr von Fehlinterpretationen durch die Öffentlichkeit kommen. Das Gleiche gilt auch bei der Nutzung von Verlustvorträgen oder bei Personenhandelsgesellschaften, bei welchen lediglich der Gewerbesteueraufwand ausgewiesen wird und dadurch die Gefahr besteht, dass eine geringe Steuerquote fehlinterpretiert wird. In derartigen Fällen empfehlen wir die Aufnahme von Zusatzangaben, welche einer solchen Fehleinschätzung der Öffentlichkeit vorbeugen. Diese können sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur sein. Solche Zusatzangaben sind explizit in Annex I, Sektion 2 vorgesehen und die Unternehmen sollten diese daher unbedingt nutzen.

Weglassen nachteiliger Angaben

§ 342k HGB eröffnet ein Wahlrecht, einzelne oder mehrere Pflichtangaben im Ertragsteuerinformationsbericht wegzulassen. Dies soll immer dann einschlägig sein, wenn die entsprechende Offenlegung den betroffenen Unternehmen einen erheblichen Nachteil zufügt. Ein Nachteil ist immer dann erheblich, wenn hierdurch eine „ernsthafte Beeinträchtigung der Marktstellung eines Unternehmens“ droht. Das Weglassen von Angaben ist gem. § 342k Abs. 2 Satz 1 HGB zu begründen und dieses kann für insgesamt vier aufeinanderfolgende Berichtszeiträume vorgenommen werden. Wir empfehlen daher eine sehr frühzeitige Auseinandersetzung damit, welche Informationen in dem erstmalig zu erstellenden Bericht weggelassen werden. Gleichfalls empfiehlt sich diesbezüglich eine sehr ausführliche Dokumentation, weshalb die konkreten Informationen weggelassen wurden.

Verfassungsrechtliche Bedenken und möglicher Rechtsschutz

Mit der Verabschiedung der EU-Richtlinie 2021/2101 begann die Diskussion um die Rechtmäßigkeit der Richtlinie. Im Mittelpunkt steht dabei der Streit um die richtige Kompetenzgrundlage.
Um dem Einstimmigkeitserfordernis des Art. 115 AEUV zu entgehen, hat die EU die RL auf Art. 50 Abs. 1 AEUV gestützt, der die EU zum Erlass von Richtlinien zur Verwirklichung der Niederlassungsfreiheit für eine bestimmte Tätigkeit ermächtigt. Zweifel an der Anwendbarkeit des Art 50 Abs. 1 AEUV ergeben sich vor dem Hintergrund, dass die in Rede stehende Richtlinie die Niederlassungsfreiheit nicht verwirklicht, sondern vielmehr beschränkt, indem sie Unternehmen, die sich in einem anderen EU-Staat niederlassen, zusätzliche Pflichten auferlegt. Zudem regelt die Richtlinie keine bestimmte Tätigkeit, sondern betrifft multinationale Unternehmen unabhängig von ihrer Tätigkeit. Auch Art. 50 Abs. 2 lit. b AEUV ist nicht einschlägig, da die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen zwar als Maßnahme zum Schutz der Öffentlichkeit dargestellt wird, ohne jedoch darzulegen, worin dieser Schutz der Öffentlichkeit liegt. Sachgerechter erscheint vor diesem Hintergrund somit Art. 115 AEUV als Rechtsgrundlage, da diese Vorschrift den Erlass von Richtlinien zur Angleichung von Rechtsvorschriften ermöglicht, die den Binnenmarkt betreffen. Sofern das BVerfG unsere Auffassung bestätigt, dass die EU damit eine Kompetenz in Anspruch genommen hat, die ihr nicht zusteht, würde es sich bei der EU-Richtlinie um einen ausbrechenden Rechtsakt (ultra-vires-Akt) handeln. In der Folge kann das BVerfG die Unanwendbarkeit des Rechtsaktes in Deutschland feststellen.

Des Weiteren bestehen auch Bedenken gegen die materielle Verfassungsmäßigkeit des pCbCR. Das pCbCR berührt das Steuergeheimnis als Teil der durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG (für Unternehmen Art. 12 u. 14 GG) geschützten informationellen Selbstbestimmung. Dieses schützt die Befugnis des Einzelnen, selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Dazu gehören bei Unternehmen auch Besteuerungsgrundlagen wie Umsatz, Gewinn, Einkommen etc.

Verfassungsrechtlich zweifelhaft ist insbesondere die Angemessenheit der Regelung im engeren Sinne. Selbst für den kundigen Leser dürfte es schwierig sein, aus den wenigen Angaben auf die Steuersätze von Unternehmen schließen zu können. Zu sehr hängen die Angaben von unternehmensindividuellen Besonderheiten ab. Die Prangerwirkung kann daher in vielen Fällen auch "unschuldige" Unternehmen treffen.

Um dies zu verhindern, bleibt es den Unternehmen überlassen, sich gegen die pCbCR gerichtlich zur Wehr zu setzen.

Falls Sie Fragen zur Offenlegung von Ertragssteuerinformationen haben oder weitere Informationen benötigen, stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Über den Autor

Lukas Benzinger ist Wirtschaftsprüfer und kommentiert die Offenlegung von Ertragsteuerinformationen in Hachmeister/Kahle /Mock /Schüppen (Hrsg.): Bilanzrecht. Kommentar: Handelsbilanz, Steuerbilanz, Prüfung, Offenlegung, Gesellschaftsrecht.

Über den Autor

Julius Scherr ist Jurist und berät u.a. zu unions- und verfassungsrechtlichen Fragen im internationalen Steuerrecht.